Zerstörungslust von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey

Daher kommt die Zerstörungslust

Wer vom Kapitalismus und vom Liberalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen, schreiben Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey in ihrem neuen Buch »Zerstörungslust«. Von Jan Maas

In ihrem neuen Buch »Zerstörungslust« gehen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey der Frage nach, wie beispielsweise Donald Trump und die AfD massenhaften Zuspruch gewinnen konnten, ohne eine positive Vision zu vermitteln. Ihre Antwort lautet kurz gefasst: Sie machen sich eine weit verbreitete Zerstörungslust zunutze, die darauf beruht, dass unsere liberalen Gesellschaften ihre Versprechen auf Aufstieg und Freiheit gegenüber immer mehr Menschen nicht einlösen.

In dieser Zerstörungslust sehen die Autor:innen die wesentliche Triebfeder des gegenwärtigen Faschismus, den sie »demokratischer Faschismus« nennen. Sie verbinden mit dem Begriff des Faschismus nicht nur Parteien wie zum Beispiel die AfD in Deutschland, sondern auch rechte Netzwerke wie zum Beispiel im Umfeld von US-Präsident Trump.

Zerstörungslust als Triebfeder

Mit »demokratischem Faschismus« meinen Amlinger und Nachtwey, dass sich das Auftreten faschistischer Kräfte im Vergleich zu historischen Bewegungen verändert habe. Zum Beispiel nehmen Parteien wie die AfD für sich in Anspruch, die Demokratie nicht zerstören, sondern vielmehr den wahren Willen des Volkes – oder was sie dafür halten – ausdrücken zu wollen.

Man kann sich fragen, ob der Begriff des »demokratischen Faschismus« so stichhaltig ist. Auch Hitler vertrat nach dem gescheiterten Putsch von 1923 eine legalistische Taktik. In der AFD gibt es genügend Belege für offen antidemokratische Haltungen. Trotzdem ist die Beobachtung natürlich grundsätzlich richtig, dass sich der Faschismus heute anders zeigt als in den 1920er Jahren.

Faschismus als reale Gefahr

Ich halte aber andere Gesichtspunkte an »Zerstörungslust« für spannender, als den Begriff des »demokratischen Faschismus« auf die Goldwaage zu legen. Ich greife drei Aspekte heraus, die ich für zentral halte. Erstens: Amlinger und Nachtwey verwenden ganz bewusst den Begriff Faschismus und meinen damit: Eine Gewaltherrschaft mit Massencharakter sei heute eine reale Gefahr.

Zweitens: Die Autor:innen sehen die Hauptverantwortung dafür, dass der Faschismus wieder zu einer realen Gefahr geworden ist, bei der kapitalistischen Krise und dem Umgang der liberalen Herrschenden damit. Diese hätten sämtliche Krisen der letzten Jahrzehnte auf den Rücken der Arbeitenden abgewälzt und zugleich zunehmend Migrant:innen als Sündenböcke präsentiert.

Warum wir eine Vision brauchen

Drittens: Auch die gesellschaftliche Linke trägt Amlinger und Nachtwey zufolge Verantwortung. Anstatt die Verhältnisse grundsätzlich zu kritisieren, hätten sich linke Parteien zu oft an der Verwaltung des Elends beteiligt. Wenig habe die Linke so geschwächt, finden die Autor:innen, wie der Abschied vom Sozialismus und die Hinwendung zur Technokratie.

»Zerstörungslust« hilft, den Erfolg der AfD zu verstehen. Ist das eine Leseempfehlung? Ja. Das Buch ist nicht immer einfach zu lesen. Aber man kann die eine oder andere Seite quer lesen und immer noch Gewinn daraus ziehen. Besonders diskussionswürdig ist die Schussfolgerung der Autor:innen: Der Antifaschismus brauche eine Vision, für die es sich zu kämpfen lohne.

Wenn ich mir etwas zu Weihnachten wünschen dürfte: Eine Zusammenfassung unter 100 Seiten für 5 Euro. Das würde vielleicht helfen, dass Amlingers und Nachtweys Kerngedanken nicht nur in den sogenannten Leitmedien wahrgenommen werden, sondern auch in Klassenzimmern, Mensen und Kantinen. Dort gehört die Diskussion über eine andere Gesellschaft nämlich hin.


Carolin Amlinger/Oliver Nachtwey
Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus
Suhrkamp Verlag
Berlin 2025
464 Seiten
30 Euro

Foto: Suhrkamp Verlag

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