Beschäftigte des UKGM beteiligten sich an der Großdemonstration gegen die Neugründung der AfD-Jugend in Gießen. Auf ihrem Transpi steht: »Vielfalt ist unsere Stärke. UKGM vs AfD-Jugend«.

UKGM: Pfleger:innen gegen Nazijugend

Am 29.11. gründete sich die neue AfD-Jugendorganisation in Gießen. 50.000 Antifaschist:innen protestierten und blockierten die Gründung. Kolleg:innen des Universitätsklinikums Gießen-Marburg (UKGM) beteiligten sich an den Protesten. Wir fragten, wie die Mobilisierung am Klinikum aussah. 

Svu: David, Du warst als Mitarbeiter des Universitätsklinikums Gießen-Marburg mit vielen Kolleg:innen bei den Protesten gegen die Gründung der Generation Deutschland dabei. An welchen Teilen der Proteste habt Ihr als Belegschaft Euch beteiligt?

David: Der allergrößte Teil hat sich an der Großdemonstration beteiligt. Wir hatten im Vorfeld zwar auch über die Aktionen des zivilen Ungehorsams informiert und dazu aufgerufen, letztendlich hat sich jedoch der größte Teil an der Hauptdemonstration beteiligt. Sicher gab es auch Kolleg:innen, die an Aktionen des zivilen Ungehorsams von Widersetzen beteiligt waren, wahrscheinlich jedoch eher als Ausnahme.

Kannst Du etwas über die Zusammensetzung Eurer Beteiligung sagen? Welche Berufe und Abteilungen waren dabei?

Dazu kann ich nichts sagen, da ich an dem Tag nicht bei meinen Kolleg:innen war, sondern andere Aufgaben übernommen habe. Allerdings denke ich, dass ein größerer Teil aus Kolleg:innen der Pflege und der Ärzteschaft bestand.

Ihr habt im Vorfeld einen eigenen Aufruf zu den Protesten veröffentlicht. Kannst Du kurz die wichtigsten Argumente sagen, warum Ihr aus dem UKGM gegen die Generation Deutschland mobilisiert habt?

Das rassistische Remigrationsprogramm, das die Partei schon länger zum Kern ihrer Politik gemacht hat, hätte katastrophale Folgen – nicht nur für meine Kolleg:innen, die direkt davon betroffen wären, sondern auch für alle Menschen in Deutschland, die in diesem ohnehin schon schlechten Gesundheitssystem noch weniger Aufmerksamkeit erhalten würden als ohnehin schon.

Ich möchte mich nicht fragen müssen, ob mein tunesischer Kollege deshalb nicht zum Dienst erschienen ist, weil er verschlafen hat oder weil er nachts abgeschoben wurde.

Somit entstand die Idee, denjenigen Kolleg:innen, die das genauso oder ähnlich sehen, eine Stimme zu geben, mit der sie abseits von Parteien und Gewerkschaften gemeinsam als Arbeiter:innen gegen die Neugründung der »Generation Deutschland« demonstrieren können.

UKGM: Debatte und Mobilisierung im Betrieb

Wie ist dieser Aufruf genau zustande gekommen?

Wir haben über Flyer im Haus, über Videobotschaften und über Nachrichten in den Chat-Kanälen der Krankenhausbewegung am UKGM sowie über den Betriebsrat zu einem Infotreffen mobilisiert. Dort haben wir einen Input zum Charakter, zu den Personen und zu den Gefahren der neuen AfD-Jugend gegeben und im Anschluss gemeinsam mit einer Videochoreografin ein Mobilisierungsvideo gedreht.

Wie genau habt Ihr danach weiter im UKGM mobilisiert?

Danach haben wir, nachdem die Planungen für das Wochenende weiter vorangeschritten waren, noch ein zweites Treffen über denselben Weg organisiert sowie eine Aktion zum gemeinsamen Bannermalen durchgeführt.

Das zweite Infotreffen und auch das Bannermalen waren allerdings nicht sonderlich gut besucht. Rückblickend war ein Problem, dass die Menschen, die das Ganze angestoßen hatten, im Verlauf in andere organisatorische Aufgaben eingebunden waren und die UKGM-Mobilisierung dadurch etwas in den Hintergrund geraten ist.

Alle zusammen gegen den Faschismus nach Erfurt

Hast Du Tipps für andere Leute, die an ihren Arbeitsplätzen gegen rechts mobilisieren wollen, zum Beispiel gegen den AfD-Parteitag in Erfurt am 4. Juli?

Ich denke, dass es wichtig ist, sich zuvor Verbündete zu suchen, die einen bei den eigenen Ideen und bei der Durchführung der Mobilisierung unterstützen. Geeignet dafür sind stabile Betriebs- oder Personalräte sowie Gewerkschaftsstrukturen.

Außerdem ist es meiner Meinung nach wichtig, ein Argument dafür zu liefern, wie genau das Programm der AfD eine Bedrohung für die Arbeitsrealität und die Arbeitsbedingungen vieler Menschen im Betrieb darstellen würde – nicht nur für diejenigen mit Migrationsgeschichte in der Familie.

Wie bewertest Du die Proteste gegen die Generation Deutschland?

Ich glaube, dass wir hier in Gießen Großartiges geschafft haben. Trotz der medialen Schmutzkampagne im Vorfeld und auch im Nachgang waren die Proteste größer und breiter als beispielsweise in Riesa. Ich hoffe, dass sich dieser Trend wachsender antifaschistischer Mobilisierungsprojekte fortsetzt und daraus eine große, gesellschaftlich breit aufgestellte antifaschistische Bewegung in Deutschland entstehen kann. Die nächste Aufgabe wird die Mobilisierung zum 4. Juli nach Erfurt sein. 

Was ich schade finde, ist, dass die Erkenntnis bleibt: Egal wie viel und wie friedlich man Nazis blockiert, sobald die Polizei sich durch friedliche Blockaden prügelt, wird es weiterhin schwer bleiben, Faschist:innen daran zu hindern, sich zu treffen.

Was für Schlussfolgerung ziehst Du daraus für zukünftige Mobilisierungen gegen rechts?

Es bleibt wichtig und richtig, sich den Rechten zu widersetzen. Ebenso ist es wichtig und richtig, weiterhin für eine breite antifaschistische Bewegung in Deutschland zu kämpfen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es jedem Arbeiter und jeder Arbeiterin schlechter gehen wird, sollte die AfD irgendwann an die Macht kommen.

Im Bereich betrieblicher und gewerkschaftlicher Mobilisierung gegen Rechts haben wir jedoch noch einen weiten Weg vor uns. Ich denke aber, dass sich der Versuch lohnt: Auch wenn man keine große Mobilisierungswelle in einem Unternehmen erzeugt, kann man im Kleinen doch bewirken, dass in den Betrieben zumindest über die AfD und die Gefahren, die von ihr ausgehen, diskutiert wird.

Danke für deine Zeit, David.


David H. arbeitet als Gesundheits- und Krankenpfleger im Uniklinikum Gießen auf einer Intensivstation und ist bei der Gewerkschaft ver.di organisiert.

Das Interview führte Jan Maas.

Titelbild: Krankenhausbewegung UKGM (instagram)

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