Von Danièle Fayer-Stern, Brüssel
Die Arbeiter:innen planen weitere Aktionen nach einem dreitägigen Streik gegen das brutale Sparprogramm der Regierung
Arbeiter:innen in Belgien sind in der vergangenen Woche in einen beispiellosen dreitägigen landesweiten Generalstreik gegen das Sparprogramm der Regierung getreten. Der Streik war Teil einer am vergangenen Montag begonnenen dreitägigen Aktion im öffentlichen Nahverkehr und bei der Bahn.
Am Dienstag wurde der öffentliche Dienst von der Verwaltung, den Krankenhäusern über die Post bis zum Bildungsbereich bestreikt. Das gipfelte in einen »berufsübergreifenden« Generalstreik am Mittwoch. Überall im Land gab es Streikposten, und es wurden Versammlungen abgehalten.
Der Streik folgte einer Demonstration mit 140.000 Teilnehmern am 14. Oktober, der größten in Brüssel seit Jahrzehnten. Sie richtete sich gegen eine weit rechts stehende Regierung, die scharfe Angriffe auf Renten, Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung und Kultur durchsetzen will, und gleichzeitig hart gegen Migration vorgeht. All das geschieht im Zusammenhang mit der massiven Erhöhung der Rüstungsausgaben.
Die Demonstration selbst war der Höhepunkt monatlicher Aktionen der Gewerkschaften, die im Juni 2024 begannen, als die neu gewählte Regierung Milliarden Euro an Einsparungen verkündete.
Staat greift Arbeiter:innen an
Der neue Staatshaushalt beinhaltet schwere Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiter:innen. Eine ganze Schicht schon armer Leute wird in extreme Not gestürzt werden. Er bedeutet einen Angriff auf die Renten, vor allem indem jene »bestraft« werden, die vor dem 67. Lebensjahr in Rente gehen wollen.
Er bedeutet auch Angriffe auf Sozialleistungen, wobei alle Arbeiter:innen, die länger als zwei Jahre arbeitslos waren, keine Leistungen mehr erhalten sollen. Langzeiterkrankte Beschäftigte sollen durch Kürzung oder Einstellung von Leistungen gezwungen werden, die Arbeit wieder aufzunehmen.
Die Regierung hat die Arbeitszeit für das Lehrpersonal ohne Lohnausgleich verlängert. Und aufgrund weiterer Maßnahmen werden Hunderte Lehrer:innen ihren Job verlieren. Zudem erhöht sie die Kosten der Hochschulbildung.
Beschäftigte im Kulturbereich und Künstler:innen im Allgemeinen müssen ebenfalls mit schwindendem Einkommen und dramatisch wachsender Unsicherheit rechnen. Zu den Maßnahmen kommen Angriffe auf Flüchtende, indem die Familienzusammenführung erschwert wird.
Superreiche kaum betroffen
Keineswegs überraschend ist, dass die Superreichen fast kaum davon betroffen sind. Führende Regierungspolitiker haben verkündet, sie würden künftig stärker gegen Steuerhinterziehung vorgehen. Sie haben behauptet, damit würden die Superreichen ebenfalls einen Beitrag zur Finanzierung des Haushalts leisten.
Überall in den sozialen Medien betonen Beobachter, mit welch außerordentlicher Verachtung die Führer der beiden Hauptparteien, Georges-Louis Bouchez und Bart De Wever, den Streikenden begegnen, ebenso denen, die sich trauen, vor der großen Bedrohung durch die extreme Rechte zu warnen.
Wut und Kampf
Im Laufe des zurückliegenden Jahres hat sich insbesondere bei den Schichten, die zuvor politisch weder besonders engagiert noch links waren, große Wut aufgestaut.
Während der Streiks ließ sich die Empörung an den Plakaten ablesen. Parolen lauteten zum Beispiel: »Prekarität ist kein Gesellschaftsprojekt«, »Besteuert die Reichen« und »Keine Demokratie ohne Kultur«.
Die Demonstrierenden forderten Solidarität nicht nur unter den Berufszweigen, sondern auch mit Migrant:innen. Andere verurteilten das finanzielle Austrocknen des Kulturbereichs, während gleichzeitig in Krieg investiert wird. Vor allem aber gab es auch zahllose Plakate, die den Genozid in Palästina und die Beihilfe der Regierung anprangerten.
Außerhalb der Hauptstadt Brüssel fanden auch in anderen Städten Aktionen statt, wie in Liège, wo die Minister der Regierung von 600 wütenden Demonstrant:innen empfangen wurden.
Die bürgerlichen Zeitung Le Soir beschrieb den Streik in allen drei Regionen des Lands, in Flandern, Brüssel und Wallonien, als sehr erfolgreich. Die Gewerkschaften sprachen von der größten Beteiligung an Aktionen in über 40 Jahren. Der letzte Streiktag wurde von einer gemeinsamen Front aller belgischen Gewerkschaften geführt, die weitere Streiks ankündigten, sollte die Regierung nicht auf sie hören. Es gibt bereits Pläne für mehr Aktionen. Und es steht ein längerer Kampf bevor, um dafür zu sorgen, dass diese Regierung entweder stürzt oder 2029 nicht wiedergewählt wird.
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Zuerst erschienen in Socialist Worker, Übersetzung Rosemarie Nünning.
Bild: Mark Bergfeld, 28. November 2025
