Etwa 600 Menschen haben an einem breiten Protest gegen den Wahlkampfabschluss der Berliner AfD in Hohenschönhausen teilgenommen, der in Form einer Kundgebung gefeiert werden sollte.

Die Union stärkt mit ihrer Debatte über Migration die AfD

Angesichts hoher Umfragewerte der AfD versucht die Union aus CDU und CSU mit einer zunehmend hysterischen Debatte über Migration, ihre Führungsrolle zu verteidigen. Warum diese Strategie nicht funktionieren kann und stattdessen der AfD hilft, erklärt Carl Schreiber.

In den bundesweiten Umfragen liegen AfD und Union gleichauf, in manchen Umfragen ist die AfD sogar knapp vorne. In den ostdeutschen Bundesländern ist die AfD längst die mit Abstand stärkste Partei. Auch die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen kürzlich zeigten einen deutlichen Zuwachs der Nazis.

Die Union versucht, Wähler von der AfD zurückzugewinnen, indem sie sich als erfolgreiche Partei im Kampf gegen Migration profiliert. Es vergeht kaum ein Tag ohne große Nachrichten von Abschiebungen, Rückgang der Asylanträge, Diskussionen über Einschränkungen von Rechten und Sozialleistungen für Migrant:innen.

Das Leid und die Verzweiflung der Menschen, die versuchen, den katastrophalen Folgen des Kapitalismus in aller Welt in sicherere Verhältnisse zu entfliehen, werden in dieser Debatte völlig ausgeblendet.

Der Union ist es egal, ob ihre Aussagen stimmen oder ihre Politik »gerecht« ist – sie möchte um jeden Preis auch weiterhin Politik für die reiche Minderheit machen können.

Aber die Union kann der AfD nicht mit rassistischer Politik »den Wind aus den Segeln nehmen«. Das liegt am Charakter des Rassismus der AfD.

Für die Union ist Rassismus ein taktisches Instrument

Für bürgerliche Rassisten wie die in der CDU/CSU ist Rassismus ein taktisches Mittel. Rassismus schafft Sündenböcke für die Probleme in der Gesellschaft. Unzufriedenheit und Wut werden umgelenkt – nicht die Reichen, oder gar der Kapitalismus, sollen Schuld sein an der Misere der Mehrheit der Bevölkerung, sondern »die Ausländer«, »die Juden«, »die Zigeuner« und so weiter.

Ihr Ziel ist es, dadurch noch mehr Sozialabbau durchsetzen zu können, noch mehr Aufrüstung, noch mehr Kriegsbeteiligungen. Es geht ihnen um den »Standort Deutschland«, also um die ungestörte Vermehrung des Reichtums der Superreichen.

Nazis ticken anders. Im Kern faschistischer Ideologie steckt die reaktionäre Fantasie, dass alles besser wäre, wenn wir »zurückkehren« zu einer Vergangenheit, in der »wir Deutsche« unter uns waren.

Hitler sprach von einem »gesunden Volkskörper«, der von dem »jüdischen Bazillus« infiziert worden wäre. Der Rassismus gehört zur DNA faschistischer Organisationen.

Deswegen spricht die AfD von »millionenfacher Re-Migration«. Ihr Ziel ist, ganz im Sinne des historischen Vorbildes, die »Reinigung des Volkskörpers« von allem »undeutschen«.

Rassismus ist irrational

Diese Zielsetzung ist irrational. Juden machten 1933 weniger als ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus. Das hinderte die Nazis nicht daran, zu glauben, Juden wären an allem Schuld: Am verlorenen Weltkrieg, an Arbeitslosigkeit, an einem »Stadtbild« mit Obdachlosen und Drogenabhängigen.

Die Nazis hätten das geglaubt, selbst wenn es überhaupt keine Juden in Deutschland gegeben hätte. Die Existenz der rassistisch unterdrückten Menschen ist nicht die Ursache von Rassismus.

Egal welche Maßnahmen die Regierung vorschlägt oder durchführt, es wird den Nazis nicht weit genug gehen.

Die Anzahl der Asylanträge hat sich halbiert, aber natürlich hat sich dadurch nichts an den Problemen der Menschen geändert: im Gesundheitssystem, im Bildungssystem, bei den Mieten, mit der Arbeitslosigkeit, mit der Armut. Alle unsere Probleme haben nichts mit Migration zu tun. Und sie werden dementsprechend nicht weniger mit der Abnahme der Asylanträge.

Aber wer glaubt, dass es doch einen Zusammenhang zwischen unseren Problemen und Migration gibt, wird sagen: Halbierung ist noch nicht genug!

Mehr noch: Weil die Union so tut, als wäre der »Kampf gegen irreguläre Migration« irgendwie ein Mittel gegen diese Probleme, stärken sie die Nazis. Die Nazis fühlen sich mit jeder stattgefundenen Abschiebung bestätigt und fordern noch mehr.

Der Streit in der Union über Syrien zeigt die Absurdität der Debatte

Also steht die Union unter dem Druck, noch mehr abzuschieben, noch mehr an den Grenzen abzuwehren, noch mehr gegen Migrant:innen im Land vorzugehen.

Die aktuelle Debatte in der Union über Abschiebungen nach Syrien zeigt die ganze Absurdität. Der Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte nach einem Besuch in Syrien festgestellt, dass in dem von Bürgerkrieg, Krieg und Sanktionen zerstörten Land aktuell ein menschenwürdiges Leben kaum möglich sei.

Und schon beginnt in der Union die Panik, sie könnte als nicht hart genug gegen aus Syrien Geflüchtete, oder, mit den Worten des sachsen-anhaltischen CDU-Chefs Sven Schulze, als »zu links«, wahrgenommen werden.

Gleichzeitig weiß die Union, dass Menschen mit einer Migrationsgeschichte unverzichtbar für den »Wirtschaftsstandort Deutschland« sind. Unsere Gesellschaft besteht ausschließlich aus Menschen, die hier eingewandert sind, oder deren Nachfahren.

Und jede Gruppe, die seit der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren hergekommen ist, hat ihren Beitrag zu der Gesellschaft geleistet, die wir heute haben. Das betrifft auch diejenigen, die als letztes gekommen sind.

Migrant:innen sind kein Problem – nicht einmal ein ganz kleines!

Die Union weiß zum Beispiel, dass unser Gesundheitssystem ohne Arbeitskräfte aus Syrien nicht funktionieren würde. Deswegen versuchen sie, die Migrant:innen in gute und schlechte aufzuteilen. »Nützliche« Menschen werden toleriert, die anderen abgeschoben oder an den Grenzen abgewiesen.

Aber aus der Sicht der Nazis bleiben die Migrant:innen, egal ob »nützlich« oder nicht, immer ein »Fremdkörper«, den sie beseitigen müssen, um ihre Fantasie von einer »deutschen Gesellschaft« umsetzen zu können.

Keine noch drastische rassistische Maßnahme der CDU/CSU kann ihre Forderungen erfüllen, sie »domestizieren«, sie beruhigen, sie schwächen.

Um die Nazis zu schwächen, brauchen wir eine Politik, die klar sagt:

Migrant:innen sind nicht das Problem! Weder alle Migrant:innen und noch einige wenige. Nicht einmal ein ganz kleines.

Wir brauchen eine Politik, die sagt: Ein Problem hingegen ist es, die Menschen in »Einheimische« und »Fremde« einzuteilen.

Ein Problem ist es, Menschen nach ihrer Herkunft, ihrem Aussehen oder ihrer Religion zu bewerten.

Ein Problem ist es, die Schwächsten und Ärmsten der Gesellschaft für Auswirkungen der kapitalistischen Konkurrenz verantwortlich zu machen.

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