Am 15. Oktober wurde der »We’ll Come United«-Aktivist Yerro Gaye nach Gambia abgeschoben. Seine Abschiebung steht beispielhaft für die unmenschliche Abschiebepraxis der Bundesregierung, argumentiert Milla aus Berlin.
Yerro Gaye lebte seit 2019 in Deutschland und hat hier ein Leben aufgebaut mit seiner Partnerin, Freund:innen und politischen Aktivitäten für die Rechte der Migrant:innen und Geflüchteten. Er hatte zwei Jahre für Hermes gearbeitet, bevor die Ausländerbehörde ihm seine Arbeitserlaubnis entzog.
Yerro wollte seine französische Partnerin heiraten. Aber die Behörde hat die Heirat beim Standesamt blockiert – obwohl er alle Dokumente für die Hochzeit vorgelegt hatte.
Am 30. September überraschte die Polizei ihn bei einem Routinetermin bei der Ausländerbehörde in Haldensleben. Sie nahm ihn ohne Vorwarnung fest und inhaftierte ihn in einem Abschiebegefängnis in Dresden.
Abschiebung gegen Proteste durchgesetzt
Zahlreiche Aktivist:innen, Anwält:innen sowie einige Politiker:innen versuchten, die Abschiebung Yerros zu verhindern. Die Behörde zweifelte seine Verlobung an und behauptete, trotz vorgelegter Nachweise, keine Kenntnis von dieser gehabt zu haben. Auch das Gericht stimmte der Behörde zu.
»Das Vorgehen der Behörde zeigt deutlich, dass hier nicht sorgfältig ermittelt, sondern eine vorgefasste Position durchgesetzt wurde,« so Gayes Anwältin. Die sächsische Innenministerin ignorierte einen Härtefallantrag. Die freiwillige Ausreise, für die sich Gaye zuletzt entschieden hatte, wurde nicht gewährt.
Polizei geht auch gegen Proteste vor
Am 7. Oktober protestierten rund 80 Personen in Haldensleben gegen die Inhaftierung Yerros. Die Polizei schikanierte die Kundgebung mit willkürlichen Auflagen und ging schließlich mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen friedliche Protestierende vor – und verletzte sechs Personen.
Yerro hatte Europa über die gefährlichste Grenze der Welt – das Mittelmeer – erreicht. Er wurde von der Seenotrettung gerettet. Laut der Uno sind 3.530 Menschen im Mittelmeer ertrunken oder werden vermisst – alleine im Jahr 2024.
Tod im Mittelmeer
Der Dunkelziffer liegt viel höher – sowie die Zahl der Menschen, die das Mittelmeer erst gar nicht erreichen, sondern bereits auf dem Weg dorthin in der Sahara umkommen, da die EU die sicheren Transportrouten seit Jahren blockiert.
»Es ist unser Recht, zusammenzuleben und unsere Karriere zu verfolgen. Ich habe es nicht verdient, das durchzumachen, nur weil ich Migrant oder Schwarz bin,« stellte Yerro fest: »Ich verspreche euch, dass ich stark bleiben werde und mich niemals einschüchtern lasse. Mein einziges Verbrechen ist, dass ich ein Migrant bin.«
Abschiebung ist gängige Praxis
Yerro ist leider kein Einzelfall. Die unmenschliche Praxis der Abschiebungen gibt es in Deutschland schon sehr lange. Und es werden auch keine Menschen verschont, die schon viele Jahre hier leben und ihre Existenz – oft mit Kindern – hier aufgebaut haben.
Allerdings gibt es aktuell besondere Anstrengungen der Behörden, möglichst viele Menschen abzuschieben. Der Mediendienst Integration berichtet über einen Anstieg der Abschiebungen von 20 Prozent im Vergleich zum 2024.
Nur ein bis zwei Prozent erhalten Asyl
Immer wieder berichten Flüchtlingsräte und Menschenrechtsorganisationen von brutalen, oft nächtlichen Angriffen der Polizei mit Abschiebungen ins Unsichere und Unbekannte: nach Georgien, in den Iran oder Irak, in die Türkei oder nach verschiedenen Ländern Afrikas.
Menschen werden abgeschoben, obwohl diese Staaten oft Minderheiten und politisch Aktive verfolgen, inhaftieren, foltern und gar ermorden. Ein politisches Asyl in Deutschland ist ein jahrelanger, zermürbender und kostspieliger Kampf gegen die Behörden, meistens erfolglos.
Laut Mediendienst Integration erhalten nur ein bis zwei Prozent der Asylsuchenden tatsächlich Asyl nach Artikel 16a des Grundgesetzes. »Menschenwürde ist unantastbar« gilt nicht für alle Menschen in Deutschland.
Abschiebung um jeden Preis
Das Recht auf Asyl wurde, wie auch die anderen Grundrechte, nach der Erfahrung mit dem Terror des deutschen Faschismus im Grundgesetz verankert. Jedoch hat die Bundesregierung bereits mehrfach gezeigt, dass sie sich nicht scheut, auch zu rechtswidrigen Mitteln zu greifen, um ihre menschenverachtende, rassistische Politik durchzusetzen. Eine Politik, die nur den Nazis hilft.
Die Liste ist lang: Die schwarz-rote Koalition verstößt wissentlich gegen das EU-Freizügigkeitsgesetz, indem sie an Grenzkontrollen innerhalb des »Schengen-Raumes« festhält. Sie hat die Förderung der Seenotrettung sowie Familiennachzug und schnellere Einbürgerung abgeschafft. Sie unterstützt wissentlich das Sterben am Mittelmeer und an anderen EU-Außengrenzen mithilfe der Frontex – der EU-Agentur für Grenzüberwachung.
Regierung arbeitet mit Diktatoren zusammen
Deutschland und die EU arbeiten zusammen mit diktatorischen Regimen, um Geflüchtete fernzuhalten. Dazu zählen Länder wie Tunesien oder Libyen. Bereits seit 2016 schloss Deutschland auch den »Türkei-Deal« ab. Aufgrund dieses Deals kann die Behörde Menschen, die sich auf ihr Flucht in der Türkei aufgehalten haben – was unter anderem bei Syrer:innen, Iraner:innen oder Afghan:innen sehr oft der Fall ist – ohne gründliche Überprüfung des Asylantrages wieder dorthin abschieben. Es gibt immer wieder Berichte über Misshandlungen und Pogrome gegen Geflüchtete in der Türkei.
Nun drängt die Bundesregierung auch auf ein gemeinsames Abkommen mit anderen EU-Staaten, um Menschen in »sichere Drittstaaten« abschieben zu können. Vorbild ist der britische »Ruanda-Deal«. Die Niederlande haben unter anderem Pläne erstellt, Menschen nach Uganda abzuschieben.
Systematische Kriminalisierung von Geflüchteten
Zudem versucht die schwarz-rote Koalition, die Liste der Länder, die als »sichere Herkunftsstaaten« gelten, zu erweitern. Asylanträge aus diesen Staaten können pauschal abgelehnt werden.
Weil der Bundesrat die Einstufungen von Tunesien, Algerien oder Marokko als »sichere Herkunftsstaaten« abgelehnt hat, versucht die Bundesregierung nun, die Zustimmungspflicht der Länder zu entsprechenden Regelungen zu kippen.
Verstoß gegen soziale Menschenrechte
2026 werden die Gesetzesreformen der Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in Kraft treten. Diese wurden noch in der Ampel-Regierung mit der damaligen Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen erarbeitet. Sie schaffen das individuelle Asylrecht praktisch gänzlich ab und sehen sogar die Inhaftierung von Kindern vor.
Jedoch reicht das der jetzigen Bundesregierung nicht: Anhand der GEAS-Reformen will schwarz-rot nun manche Unterkünfte in »Sondereinrichtungen« – praktisch Gefängnisse – umwandeln. Geflüchteten sollen, nach dem Willen der Regierung, das Gelände nicht verlassen dürfen, falls ein anderes EU-Land nach der »Dublin-Verordnung« für ihr Asylverfahren zuständig ist.
Erst kürzlich hat der UN-Sozialausschuss Deutschland das erste Mal eine Rüge erteilt, da manchen Geflüchteten in den »Dublin-Verfahren« Unterkunft, Nahrung und Gesundheitsversorgung entzogen worden sind. Dieses neue Verfahren verstößt gegen soziale Menschenrechte, berichtet Pro Asyl.
