Mitglieder des Gaza-Komitees beim Protest gegen die AfD in Riesa

So arbeitet das Gaza-Komitee: Gemeinsam aktiv werden

Eine Mehrheit ist gegen den Völkermord in Gaza. Eine Minderheit ist aktiv. Wie man das ändern kann, fragen wir Oliver Klar, einen Mitbegründer des Gaza-Komitees Berlin.

Hallo Oliver, was ist das Gaza-Komitee? 

Das Gaza-Komitee ist eine Gruppe von Menschen in Berlin, die sich alle zwei Wochen treffen, um gemeinsam Aktionen für Gaza zu planen und zu organisieren. Die Treffen sind offene Plena. Das heißt, dass neu Interessierte einfach dazu kommen können. Das Gaza-Komitee organisiert Infostände, Veranstaltungen und beteiligt sich an Demos und Protestaktionen.

Wie ist das Gaza-Komitee entstanden?

Wir haben das Gaza-Komitee Berlin im Frühjahr 2024 initiiert, um Menschen zusammenzubringen, die gemeinsame Aktionen gegen den Völkermord in Gaza organisieren wollen. Es ging uns darum, die wachsende Mehrheit in der Bevölkerung anzusprechen, die den Krieg und die deutsche Beteiligung durch Waffenlieferungen und Kooperationen mit Israel ablehnt.

Die palästinasolidarische Bewegung stand und steht vor der Herausforderung, die wachsende Mehrheit in Deutschland, die den Krieg ablehnt, sichtbar zu machen und in Aktion zu bringen. Das ist viel schwieriger als beispielsweise beim Aufbau der Anti-Irakkriegs-Bewegung 2003.

Warum?

Einerseits ist die Diffamierungskampagne von Politik und Medien gegen die palästinasolidarische Bewegung als antisemitisch gigantisch. Die Polizei-Repressionen haben ein erschreckendes Niveau erreicht. In Kombination mit dem antimuslimischen Rassismus führt das zu Verunsicherung und Zurückhaltung.

Andererseits fehlt es an großen Organisationen wie Parteien und Gewerkschaften, die die Proteste mit aufbauen. Daher stehen wir vor der dringenden Aufgabe, Strukturen von unten aufzubauen und eine Vernetzung zwischen diesen Strukturen zu ermöglichen.

Wie ist das Gaza-Komitee aufgebaut?

Wir haben eine einfache Struktur. Wir treffen uns alle zwei Wochen zum Plenum. Dieses wird von einer »Vorbereitungsgruppe« vorbereitet. Wir kommunizieren über Telegram und Mailingliste nach innen und über Instagram nach außen. Wir haben diverse Arbeitsgruppen (AGs), die unsere Aktionen oder Veranstaltungen organisieren. 

Wie arbeitet das Gaza-Komitee aktuell?

Wir wollen niedrigschwellig sein. Damit ist gemeint, dass man keinem Programm oder keiner Satzung zustimmen muss und dass man nicht Mitglied werden muss oder einen Beitrag zahlen muss. Unser Grundverständnis ist, dass wir Aktionen organisieren wollen. Was uns wirklich leitet, ist, dass wir raus aus der Bubble wollen. Wir wollen die Menschen erreichen, die noch nicht auf Demos gehen.

Was für AGs habt ihr im Gaza-Komitee?

Es gibt AGs wie die Veranstaltungs-AG, AG Street Action, AG Vernetzung und kurzzeitige AGs, wie die AG Cinema, die im Rahmen der »Palestine Cinema Days« Filmvorführungen organisiert hat.

Welche Schritte braucht es, um ein Gaza-Komitee aufzubauen?

Man braucht zwei bis drei Freunde, mit denen man das Projekt startet. Es braucht eine Ankündigung. Und man muss Leute einsammeln für die Idee.

Unser erster Schritt im Frühjahr 2024 war, dass wir die Idee von der Initiierung eines Komitees durch Redebeiträge auf zwei oder drei palästinasolidarischen Veranstaltungen angekündigt haben. Wir haben dann Interessiertenlisten im Publikum rumgegeben. So hatten wir über 100 Leute, die wir angeschrieben haben. 50 Leute sind zum ersten Treffen des Gaza-Komitees gekommen. 

Was sind die Aktivitäten des Gaza-Komitees?

Wir haben diverse Großveranstaltungen organisiert, unter anderem mit Ilan Pappé. So haben wir viele Leute aus der Bewegung kennengelernt, die auch das Bedürfnis hatten, sich zusammenzuschließen. 

Unser Herzstück sind regelmäßige Infostände, die wir wöchentlich in verschiedenen Berliner Stadtteilen organisieren. Anfänglich haben wir vor allem mit der Unterschriftenliste der Petition »Für einen gerechten Frieden in Gaza – Waffenexporte stoppen« gearbeitet. Die Unterschriftenliste war ein gutes Instrument, um Menschen an Infoständen oder im Freundeskreis anzusprechen. Wir haben natürlich für die großen und erfolgreichen Demos hier in Berlin mobilisiert, indem wir Flyer verteilt und Plakate geklebt haben. Wir haben Unterstützung gegeben bei der Umsetzung von anderen Events, wie einem Boulder-Palästina-Event. Und wir planen einen Kinoabend im Rahmen der »Palestine Cinema Days«.

Welche Tipps hast du für jemanden, der ein Gaza-Komitee aufbauen möchte?

Drei Tips habe ich. Mein erster Tipp ist: Einfach machen. Es braucht keinen perfekten Plan für so ein Komitee. Es braucht Aktivist:innen, die einfach mal loslegen. 

Mein zweiter Tipp ist, Fokus auf Wachstum und Aufbau zu legen. Damit meine ich, dass es wichtig ist, neue Leute, die man kennen lernt, einzuladen und ihnen Mitmachangebote zu unterbreiten. Wir arbeiten immer noch mit Interessiertenlisten und schreiben die Leute an, die bei den Infoständen ihren Kontakt hinterlassen. Und wir laden zu jeder Aktion, die wir machen, per E-Mail und via Instagram ein.

Mein dritter Tipp, ist die Treffen so zu gestalten, dass die Leute sich wohlfühlen und sich einbringen und mitmachen können.  

Welche Hürden habt ihr im Gaza-Komitee überwunden und wie?

Es gibt zahlreiche Hürden, die wir überwunden haben oder bei denen wir noch dabei sind, sie zu überwinden.

Anfangs hat es lange gedauert, bis wir ins Handeln gekommen sind bzw. bis wir mit der Unterschriftenliste ein geeignetes Instrument gefunden haben, um Menschen außerhalb der Bubble anzusprechen. Infostände zu machen, am Megaphon eine Rede zu halten und Debatten mit Leuten auf der Strasse zu führen war für viele aus dem Gaza-Komitee Neuland. Es brauchte geduldige Lehr-Lern-Situationen.

Eine weitere Herausforderung war, gute Treffen abzuhalten. Die Plena haben eine wichtige Funktion. Sie müssen einerseits Raum für Begegnung und soziale Einbindung bieten. Das machen wir zum Beispiel durch eine »Onboarding-Phase« und Kleingruppen-Arbeit.

Die Plena müssen andererseits Platz für Politik und inhaltlichen Austausch bieten. Wir haben immer den Punkt »Politische Lage« auf der Tagesordnung. Es braucht auch den Raum für strukturelle Fragen. Wir mussten uns als Komitee darauf verständigen, wie wir uns organisieren wollen, wie wir kommunizieren wollen und was es für Regeln braucht. Das ist manchmal sehr zäh.

Vielen Dank für das Gespräch!, Oliver

zum Beginn